Utopien
Das Wort „Utopie“ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie „Nicht-Ort“ (ou = nicht; tópos = Ort). An dessen Seite steht ein ähnlicher Begriff, das Wort „Eutopie“, das einen guten oder schönen Ort beschreibt (eu = gut). Aufgrund der im Englischen identischen Aussprache von utopia and eutopia hat sich in der Alltagssprache der Begriff Utopie für beides durchgesetzt. Dabei ist häufig ein guter Fantasie-Ort gemeint, also eine Vereinigung der beiden Begriffe. Auch wir folgen hier diesem Verständnis und vereinigen beide Begriffe.
Utopien können als positive Leitsterne für gesellschaftliche Entwicklungen dienen. Sie enthalten Lösungen und Visionen für eine bessere und schönere Welt (was hier zunächst einmal im Auge der:des Betrachter:in liegt). Organisationen und Individuen können Utopien entwickeln, die anziehend wirken und dem eigenen Handeln eine Richtung geben. In Utopien werden sonst abstrakte Werte und Grundannahmen konkret spürbar und in einem Entwurf ausgedrückt. So lässt sich darüber sprechen, sie können in effektiv kommuniziert werden und Menschen können in Utopien eingeladen werden.
Utopieverwendung heute
Für den Umgang mit Utopien ist es entscheidend, sie nicht als fertig oder final zu begreifen. Utopien sollten keine moralischen Käfige sein, die vorgefertigte Entwürfe dafür liefern, wie alle Menschen leben sollen. Gleichzeitig erzählen sie konkrete Geschichten möglicher Lebensweisen, wodurch ein Spannungsfeld zwischen Offenheit und Konkretion erzeugt wird. Entsprechend ist es von großer Bedeutung, Utopien als Vorschläge einer möglichen Zukunft zu kommunizieren, die zu jeder Zeit offen, integral und unfertig bleiben.
Je konkreter eine Utopie ist, desto eher läuft sie Gefahr, Normen und Werte der:des Visionär:in zu verabsolutieren. Trotzdem braucht sie das Konkrete. Genau hier liegt die Herausforderung. Daher ist es bei der Entwicklung von Utopien besonders wichtig, verschiedene Perspektiven einzubeziehen und sie in einem dynamischen, inklusiven Prozess zu gestalten. Utopien entfalten ihre Wirkung, wenn sie miteinander in Kontakt und wertschätzenden Austausch gebracht werden. So können sie als Basis für neue gesellschaftliche Lösungen dienen. Im Vorgehen der Übung Utopien vergemeinschaften wird ein solcher Prozess skizziert. Siehe weiterführend hierzu auch Sowohl-als-auch.
Realutopien
Realutopien sind konkrete, bereits existierende und zukunftsweisende Ansätze und Projekte für die Verwirklichung einer lebenswerten, regenerativen und gerechten Gesellschaft. Es gibt sowohl ausgereifte Realutopien, die teilweise schon sehr bekannt sind, als auch weniger bekannte.
Beispiele für Realutopien finden sich in allen Gesellschaftsbereichen. Sie reichen von gemeinwohlorientierten Unternehmen oder ethischen Banken, über Permakultur und Aquaponik, Bürger:innenräte und liquid democracy, hin zu Holzbau, zur Soziokratie (3.0) und neuen Formen der Wohlstandsmessung. Häufig werden sie zuerst in Nischen entwickelt und in Pilotprojekten ausprobiert.
Realutopien sind relativ
Realutopien sind nicht perfekt oder absolut – sie enthalten nur die nächstbesseren Systemlogiken. Sie sind daher immer relativ und als evolutionärer nächster Schritt bzw. als Gegenmodell zum Status Quo zu verstehen. Was heute als Realutopie bezeichnet wird, ist in wenigen Jahrzehnten vielleicht schon normal und nichts Besonderes mehr.
Realutopien sind also sowohl kontextuell als auch zeitgebunden. Gesellschaftliche Utopien bestehen aus realutopischen Puzzlestücken, die zu einem harmonischen Gesamtbild zusammengefügt werden.